Fahrradtour Karlsruhe – Paris 2017

Reiseziel und -planung

Ziel der Reise war, am Rhein-Marne-Kanal (französisch Canal de la Marne au Rhin) entlang nach Paris zu fahren. Da ich nur gut eine Woche Zeit dafür hatte, bin ich meinem Fahrradkollegen mit der Bahn nach Karlsruhe nachgefahren, der vorher von München aus gestartet war. Der Kanal verbindet die Flüsse Rhein (in westlicher Richtung gesehen) von Straßburg aus mit der Marne in Vitry-le-François (in etwa Zweidrittel der Gesamtstrecke). Praktisch hatten wir von dort aus eine Route im Kopf, die Paris etwas mehr von Südosten aus erreichen sollte, zum Beispiel über Sézanne. Auf der Route gibt es aber wenig gute Radrouten. Da kam uns ein Zufall zu Hilfe. Ich musste meine Rückfahrt in Paris mit der Bahn vom Gare de l’Est aus antreten und suchte dort ein Hotel. Und fast genau dort verläuft in Paris der Canal St. Martin. Google Earth hat dann meine Neugierde gekitzelt, und ich habe den Kanal von Paris aus in seinem kompletten Verlauf nachverfolgt. Er heißt irgendwann Canal de l’Ourcq und führt rund 80 km ostwärts bis zur Mündung des Ourcq in die Marne, etwas nordostwärts von Meaux– und auch noch ein Stück weiter den Ourcq hinauf. Nun war es keine besondere planerische Glanzleistung, den Marne-Verlauf von Vitry-le-François bis Meaux zu vervollständigen, zumal es dort einen begleitenden Kanal, den Marne-Seitenkanal (französisch Canal latéral à la Marne) gibt. So ergab sich eine nahezu komplette Route an Kanälen entlang.

Diese Routenführung hatte den unschätzbaren Vorteil, dass man über weiteste Strecken meist über gut ausgebaute Radwege verfügt. Zugegeben, wenig Steigungen sind auch vorteilhaft, wenn auch nicht zwingend gewünscht. Wir fahren ja durchaus auch Transalp-Touren mit gerne weit über 1.000 Höhenmetern pro Tag. Aber ihr werdet sehen, dass man um ein paar spürbare Höhenmeter auch bei der Kanaltour gelegentlich nicht herumkommt. Trotzdem ähneln die Kanalstrecken eher Flachetappen. Der Grund für die Radpisten entlang der Kanäle ist schnell erklärt. Die Kanäle wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Treidelkanäle gebaut und brauchten Seitenstreifen, über die die antriebslosen Kähne mittels Eisenbahn (in anderen Fällen Pferdeantrieb) gezogen wurden; getreidelt nennt man das. Die Streifen sind einem Feld- oder Forstweg ähnlich und sehr unterschiedlich ausstaffiert. Dort, wo es früher Eisenbahnschienen gab, sind diese heute sämtlich abgebaut. Mehr zu den verschiedenen Qualitäten der Streckenabschnitte in den Etappenbeschreibungen. Übrigens übernehme ich für die Beschreibungen der Radwegoberflächen keinerlei Gewähr für interessierte Nachahmer. Die Beschreibungen stammen weitgehend aus der Erinnerung nach bestem Wissen; ich habe nicht Kilometer für Kilometer mitgeschrieben, welche Oberfläche die Strecke jeweils hatte.

Die grundlegende Routenplanung haben wir mit Komoot gemacht. Komoot hat den Vorteil, dass in einer bestimmten Kartenansicht, mehr dazu weiter unten, die bekannten Rad(fern)wege angezeigt werden. So kann man am einfachsten die eigentliche Tour ziehen. Allerdings lassen sich die Komoot-Routen (auch als exportierte GPX-Routen) praktisch nicht im Garmin (GPSMap 62) zur laufenden Streckennavigation nutzen; der Garmin routet die importierten Routen schlichtweg nicht. Ich musste sämtliche Tagestouren also in BaseCamp komplett neu nachstellen. Dabei kam natürlich auf, dass die Routen nicht identisch verlaufen – ganz zu schweigen davon, dass eine Route im GPS-Gerät ja auch nochmals anders aussehen kann. Und dann ist natürlich auch, wenn auch nur in einzelnen Details, das Kartenmaterial unterschiedlich, was zumindest einmal die Streckenbeschaffenheit anbetrifft. Eine Karte zeigt dir eine Strecke als mountainbike-fähigen Pfad an, die andere Karte als ausgebauten nicht asphaltierten Fahrweg – oder auch umgekehrt; die Karten sind da überhaupt nicht konsistent. Du musst also einerseits bei der Routenplanung immer wieder die Karten – und auch gegebenenfalls Satellitenkarten wie Google Earth – miteinander abgleichen. Und du wirst trotzdem in einigen Fällen einfach aufgeben und dich auf die Situation vor Ort verlassen. Eine perfekte Durchplanung der Route vorab wird es nicht geben. Und es kann ja auch durchaus ein bisschen spannend bleiben. Einige Beispiele dazu sind in den Etappenbeschreibungen enthalten. Früher hat man sich ja sowieso nur auf mehr oder weniger grobe (Straßen-)Karten verlassen und den genauen Weg vor Ort gesucht.

Kurz zu den verwendeten Karten: In Komoot starteten wir mit der Komoot Map. In Komoot ließen wir uns in der OpenCycle Map die nummerierten bzw. bezeichneten Rad(fern)wege anzeigen und glichen die Route damit ab. Dann wurde der GPX-Track in Garmin BaseCamp importiert, wo ich, wie gleichfalls im GPSMap, die openmtbmap_france-Karte von https://openmtbmap.org nutze, mit denen ich in jeder Beziehung bessere Erfahrungen als mit den kostenpflichtigen Original-Karten von Garmin gemacht habe. An dieser Stelle ist nicht zu verschweigen, dass es auch andere quelloffene Karten gibt; man entscheiden sich zweckmäßigerweise für eine.

Der Nachteil dieser Openstreetmaps (auf denen die openmtbmap‘s basieren) ist, dass man Gaststätten und Übernachtungsmöglichkeiten nur sehr, sehr umständlich findet. Man muss also bei der Planung seiner Tagesetappen mehrere Quellen auswerten. Und wichtig zu wissen ist, dass der avisierte Kanal über weite Strecken höchstens kleine Dörfer berührt, in denen es nicht einmal einen Cola-Automaten gibt. Ein Beispiel dazu siehe gleich in der Beschreibung der ersten Etappe.

Durch die Benutzung des Garmin GPS-Gerätes gibt es natürlich einen vollständig aufgezeichneten Track, der die komplette Strecke im Detail nachfahren lässt. Das Bild zeigt die gesamte Strecke in der Übersicht (der hellblaue Pfad).

Tour gesamt



Erster Tag, Montag, 05.06.17 – Lupstein

Ich bin mit der Bahn angereist und traf meinen Tourkollegen in Ettlingen beim Vogelbräu um 14 Uhr. Die Planung sah vor, am gleichen Tag noch 80 oder 90 km zu fahren (am Ende wurden es 95). Ankunft in der Unterkunft wäre dann zwar ziemlich spät; aber mit Vorreservierung kein Problem. Nur war das Finden einer Unterkunft im dünn besiedelten Elsass gar nicht so einfach. Hotels über die bekannten Buchungssysteme gab es keine. Also mussten die Gelben Seiten (Page jaune) herhalten. Und da vermieten einige ihre Zimmer nur wochenweise. Und die eine Pension, die auch für eine Nacht vermietet, sprach weder Deutsch noch Englisch. Aber wenigstens gab es eine E-Mail-Adresse (Detaildaten zu den Tagesetappen siehe Tabelle am Ende). Und so konnte ich per Google-Übersetzer alle Fragen klären.

Das Wetter war nicht berauschend, bedeckt und vor allem ein stetiger Südwestwind, der mir auf der Strecke nach Ettlingen (fast durchgehend Radweg) stetig entgegen blies. Der Gegenwind ließ auf der endlosen Gerade der B3 nach Rastatt zum Glück etwas nach. Auch hier durchgehend Radweg. Die Strecke ist aber nervtötend, schnurgerade mit viel Autoverkehr. Wir hatten diese aber bewusst gewählt, um zügig voranzukommen. Deutlich empfehlenswerter ist zum Beispiel die Rhein-Radstrecke, die man praktisch auf kürzestem Weg vom Karlsruher Hauptbahnhof aus etwa bei Rheinstetten erreichen kann – wenn man mehr Zeit hat.
So kamen wir auch am Rastatter Schloss heraus, das sehenswert ist, auch wenn man sich keine Zeit für nähere Besichtigungen nimmt. Die Route geht durch den Schlosspark auf den belebten, aber angenehm unüberlaufenen Stadtplatz an der Kaiserstraße. Durch nette Dörfer mit beschaulichen alten Fachwerkbauernhäusern wie Wintersdorf ging es dann dem Rhein zu, den wir bei Hügelsheim erreicht haben. Man fährt auf einem Damm direkt am Rheinufer entlang (Bild). Ein gut ausgebauter Radweg, fein geschottert und breit. Aber auch mit einigem Verkehr – immerhin am Feiertag nachmittags bei Sonnenschein. Aber trotzdem exzellent zu befahren.

Der Rhein ist hier übermäßig breit durch die Staustufe Iffezheim und hat dadurch ein Stück lang gar kein Gefälle. So geht es flott dahin bis zur Rheinfähre Greffern/Rheinmünster. Übrigens hatte ich vorher sicherheitshalber nach den Verkehrszeiten gefragt; die sollte man immer abklären, wenn man keine Überraschungen erleben möchte. Interessanterweise ist die Benutzung der Fähre kostenlos.

Hinter Herrlisheim (auf französischem Boden) muss man die A35 überqueren, wenn man auf „kürzestem“ Weg nach Brumath zur Schleuse 46 des Kanals kommen möchte. Das geht nur über einen kleinen Umweg. Und danach quälte uns ein
mittelgrob geschotterter Feldweg auf gut 5 Kilometern auf dem Weg nach  Weyersheim, wo wir kaum 20 km/h Schnitt zusammenbrachten und es enorm Kraft und Konzentration kostete. Bei erster Gelegenheit nahmen wir eine asphaltierte Straße. Dabei wäre die Strecke über die Straße via Gambsheim nicht einmal einen Kilometer länger gewesen. Es hätte sich fahrtechnisch gelohnt, auch wenn es landschaftlich durch die Felder natürlich nett war. Solche Planungsdetails sollte man gegebenenfalls berücksichtigen. Aber die Karten geben keine genauen Auskünfte über die Oberflächenbeschaffenheit. Und man weiß vorher auch nicht, wieviel Autoverkehr auf den Straßen ist. So ist man prinzipiell vor der einen oder anderen weniger angenehmen Überraschung nie sicher.

4 km hinter Brumath erreichten wir die Schleuse 46 am Kanal, unser „eigentlicher“ Startpunkt. Die Schleusen sind durchnummeriert und alle entsprechend bezeichnet. Nun ging es also gemächlich-zügig dahin. Am Kanal kann man auf asphaltierter Strecke ganz lockere 25 km/h fahren. Verkehr gab es so gut wie gar keinen. Auf
der gesamten Strecke bis Meaux, wo man dann in den Großraum Paris einfährt, kamen alle paar Kilometer mal andere Radler oder Spaziergänger – wenn überhaupt. Beeindruckend war auf diesem Abschnitt die Fahrt gegen die Abendsonne, die sich zusätzlich im Kanal spiegelte; zugegeben teils etwas lästig.

Unser Tagesziel war die Pension (man würde auf neudeutsch Bed & Breakfast sagen, französisch Chambres D'Hotes) von Francine Huber in Lupstein, 15 km hinter der Schleuse 46. Allerdings gab es in Lupstein keine Verpflegungsmöglichkeit. Also hatten wir uns zum Abendessen im l’Ancre in Waltenheim (3 km von Schleuse 46) einen Tisch reservieren lassen. Dort hätten wir auch übernachten können – das machen wir beim nächsten Mal. Das Essen war nämlich ausgezeichnet und fahrradfahrerreichlich!

Lupstein liegt etwas abseits vom Kanal auf einer Anhöhe, weswegen am Abend noch ein kleiner Wadelbeißer mit gut 30 Höhenmetern auf uns wartete; der einzige nennenswerte Anstieg des Tages. Francines Pension ist ein uralter Fachwerkbauernhof (Bild) schätzungsweise mindestens aus dem 18. Jahrhundert. Sehr sehenswert. Das Zimmer sauber renoviert mit allem, was man braucht. Sehr stilvoll das Ganze. Francine ist rüstig über 80 Jahre alt, verkaufte uns noch ein paar Bier als Absacker und servierte am Morgen ein üppiges Frühstück.
Etappe Tag 1:



Zweiter Tag, Dienstag, 06.06.17 – Lagarde
Heute war es nicht nur bedeckt, sondern es sah auch nach Regen aus. Wir fuhren also mit Regenjacken los und brauchten diese auch bei gelegentlichem leichtem Nieselregen bis hinter Arzviller. Die Strecke am Kanal entlang ist weiter gut befahrbar. Durchweg ein gut befestigter Fahrweg, auf dem wir bis Saverne wieder locker gut über 20 km/h Schnitt fuhren. Schließlich ist auch hier der Weg asphaltiert. In Saverne fällt das mächtige Rohan-Schloss auf, das sich über das große Hafenbecken erhebt. Saverne lädt zu einer Kaffeepause ein. Die Stadt mit ihren alten Fachwerkhäusern hätte etwas mehr Zeit für eine Besichtigung verdient. Wir schoben aber nur einmal kurz die Fußgängerzone hinauf. Der Kanal verläuft mitten durch die Stadt. Und an einer Schleuse steht zum ersten Mal eine Radentfernungsangabe nach Paris (Bild): 526 km, obwohl kein Radweg von hier aus nach Paris durchgeht. Für uns waren es bis zum Ende am Canal St. Martin noch genau 537 km; allerdings mit ein paar Umwegen. Interessant, wie die 526 km zu Stande kommen; das ist mal eine Forschungsaufgabe.

14 km hinter Saverne erreicht man das Schiffshebewerk Saint-Louis in Arzviller (französisch Plan incliné de Saint-Louis/Arzviller). In einem 1969 gebauten Troghebewerk überwinden die Schiffe 44 m Höhendifferenz, für die es im alten Kanal 17 Schleusen auf einer Strecke von 4 km brauchte. Der alte Kanal ist aufgelassen und weitgehend trockenliegend. Es führt aber ein gut ausgebauter
Radweg daran entlang, der einem natürlich eine stärkere Steigung über die Straße erspart. Allerdings muss man dazu ein paar Verrenkungen machen, wenn man am Unterwasser des Hebewerks steht. Wir sind den Kanal 1,5 km zurückfahren und haben dann den Bach Zorn querfeldein über eine sehr marode Brücke überquert, deren Überquerung mit Schildern untersagt ist. Sonst müsste man noch weitere 2 km bis Lutzelbourg zurückfahren, um auf die Straße zu kommen – und das Ganze wieder zurück (erst später haben wir gesehen, dass man möglicherweise auch am Ende des Wegs beim Hebewerk irgendwie auf die Straße hätte gelangen können –vielleicht mal schnell etwas genauer auf die elektronisch Karte gucken oder jemanden fragen). Kurz vor dem Hebewerk zweigt rechts eine Straße ab, von der man nach gut 300 m über einen Eisensteg auf den alten Kanalradweg kommt. Die Strecke ist definitiv beeindruckend am Steilhang und unter der alten Eisenbahnstrecke entlang, gesäumt von den zahlreichen alten Schleusenwärterhäusern (Bild), die teils heute noch bewohnt und die Gärten nett gepflegt sind.

Am Ende dieser alten Kanalstrecke taucht der Kanaltunnel von Arzviller auf. Bis hierher ist der Radweg durchgehend asphaltiert. Der Tunnel ist 2,3 km lang und eine kleine Attraktion. Die Tunneldurchfahrt für die Boote wird von einem Wärter überwacht, der in einem Häuschen mit Monitoren sitzt. Und da wir im Tunnel ein paar Lichter sahen, wollten wir warten, bis die am Tunnelausgang ankamen. Der Wärter meinte 6 Minuten. Zum Glück haben wir das abgewartet. Es brach nämlich nach ein paar Minuten der dickste Regenguss der gesamten Tour über uns herein, den wir dank der Überdachung des Wärterhauses trocken überstanden haben.

Nun ergab sich, dass man die Tunnel trotz Treidelpfaden mit dem Rad nicht durchfahren kann. Also musste es über den Berg gehen – über die Straße. Ein Stück hinter Arzviller zweigt der Weg auf einen Feldweg ab. Es klarte bald auf und wir verstauten die Regenjacken. An einer Stelle auf der Abfahrt von der Höhe kommt man nochmals nahe an den Kanal heran, der hier tief eingeschnitten in den Berg verläuft, bevor er nochmals im Tunnel von Niderviller verschwindet. Von hier aus kann man weitere gut 6 km bis Schneckenbusch nicht am Kanal entlangfahren. Und auch die weitere Strecke bis Hesse in 3 km ist nicht befahrbar. Übrigens war auf dieser Strecke, es war immerhin schon knapp vor 14 Uhr, keinerlei Verpflegung aufzutreiben. Von Hesse aus geht es mal gerade wieder knapp 2 km am Kanal entlang, sogar asphaltiert, bis der Kanal mittels einer Brücke über die Straße und die hier als kleines Flüsschen fließende Saar geführt wird und unser Weg hier abzweigt.
Auch hier finden wir im Nachgang in Google Earth eine Strecke am Kanal entlang, die über Xouaxange und Héming bis nach Gondrexange führen könnte – bewusste Verwendung des Konjunktiv. Allerdings haben wir den Einstieg kurz, 620 m ab dem Abzweig, hinter Hesse nicht gefunden, weil wir uns auf dem asphaltierten Weg korrekt wähnten. Tatsächlich hatte ich die korrekte Route sogar auf dem Garmin. Aber wir haben ihr wohl misstraut, weil schon vorher einige Kanalabschnitte nicht befahrbar waren, sofern der Garmin den Abzweig überhaupt angezeigt hat; die korrekte, aber nicht asphaltierte Route ging mal gerade in 10 m parallel. So etwas gehört dann zu den Risiken der Planung; oder man muss vor Ort immer wieder nochmals ganz genau schauen – sofern man überhaupt Zweifel aufkommen lässt, was in diesem Fall wegen des asphaltierten Wegs eh grob unangebracht war. Was sich insbesondere hier zeigt, ist die komplett fehlende Beschilderung auf nahezu 100 % der Strecke, was die Fahrt dann eben doch etwas zum Miniabenteuer macht. (Dieser Fall ist im Tourenfazit etwas detaillierter beschrieben.)
Bis Lorquin geht es 3 km auf einem asphaltierten Bahnradweg zügig dahin. Und dort gab es auch einen Supermarkt, aus dem wir uns ordentlich verpflegten.

Die nächsten 6 km wurden sehr anstrengend (und hätten wir wohl theoretisch vermeiden können). Es geht über Lothringens kahle Höhen bei steifem Westwind, aber auch sehenswerten weiten Ausblicken. Die Wetterdaten meldeten Böen von bis zu 80 km/h. Bis wir in Gondrexange wieder am Kanal in windgeschützter, weil baumbestandener Gegend ankamen. Auf dem Stück hatten wir über 120 Höhenmeter abgewickelt. Auf den Abfahrten musste man gegen den Wind treten und kam trotzdem nur auf 16 km/h. Und der Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes war die Überquerung der Nationalstraße N4. Die Landstraße endete wörtlich an einer Leitplanke und begann hinter der extrem viel befahrenen Hauptstraße wieder hinter einer Leitplanke. Also: zweimal die Räder rüberheben bei starkem Wind und gefährlichem, fast autobahnmäßigem Verkehr, zum Glück nur zweispurig.

Ab Gondrexange geht es wieder voll asphaltiert am Kanal entlang, der hier auf einer Strecke von gut 5 km durch einen See führt. Auf knapp der Hälfte der Strecke zweigt der Canal des Houillères de la Sarre (deutsch: Saarkanal) ab. Und weitere 2 km weiter trifft man auf die gigantische, 16 m hohe Schleuse von Réchicourt-le-Château, die seit 1965 eine alte neben gelegene Schleusentreppe ersetzt. Von kurz hinter der Schleuse aus geht der Radweg bis auf ein kurzes Stück erst mal nicht mehr am Kanal entlang. Man kommt nach 13 km – ohne knackige Höhenmeter – nach Lagarde, in dem aber das einzige Hotel am Platz geschlossen ist (obwohl es im Internet nach wie vor angezeigt wird). Wir waren enttäuscht, weil es bis zum nächsten größeren Ort noch 30 km und bis Nancy noch 46 km sind, und wir nach den teils anstrengenden gut 80 km keine große Energie mehr hatten; es war auch schon kurz vor halb sechs. Am Hafen gibt es wenigstens ein Restaurant, das aber auch noch geschlossen hatte. Da hörte ein Bootsbesitzer unser Gespräch – und spürte womöglich unsere leichte Verzweiflung – und erzählte uns, dass der Hafenmeister Hausboote zum Übernachten anbietet. Wir überlegten nicht lange und schlugen zu. Unser ursprünglich vorgesehenes Tagesziel in oder bis kurz vor Nancy gaben wir gerne auf. Die Frau des Hafenmeisters sprach fließend deutsch (weil der überwiegende Teil ihrer Kunden Deutsche sind). Das komplette Boot mit 8 Schlafstellen kostete uns keine 70 €uro inklusive Frühstückskaffee. Wir kauften dort ein paar Kleinigkeiten ein, gingen im sehr gepflegten Restaurant sehr gepflegt essen und hatten eine ausgezeichnete Nacht trotz teils kräftigen Regens.

Etappe Tag 2:



Dritter Tag, Mittwoch, 07.06.17– Toul

Am Morgen war es kühl. Geduscht wird im Hafen in Campingplatzatmosphäre in der Gemeinschaftsdusche, auch wenn das Boot an Bord enge Duschzellen hat. Der Kaffee ist vom Hafenmeister pünktlich fertiggestellt, und wir genossen die frischen Croissants. Inzwischen hatte sich der Himmel wieder etwas zugezogen, und wir mussten mit Regen rechnen. Und schon ging's es los – mit dem Regen. Den Guss warteten wir im Boot ab.
Sehr hilfreich ist ein Regenradar als App auf dem iPhone. Ich habe mehrere ausprobiert. Empfehlenswert ist ‚Regen Alarm mit Niederschlagsradar‘ (Infoplaza BV); damit haben wir ganz gute Erfahrungen gemacht, vor allem gerade an diesem Morgen. Die App zeigte einigermaßen kräftigen Niederschlag südwestlich an (wir fuhren ja immer nach Westen); und das sah man auch an den Wolken.
Wir fuhren also los und sahen ein paar Kilometer weiter tatsächlich die Regenfächer aus den Wolken links von uns; voraus war der Himmel hell, wenn auch nicht klar. Wir bekamen lediglich ein paar Spritzer ab, die vom steifen Wind verweht wurden. Zum Glück ging die Tour heute durch das Tal, durch das auch der Kanal verläuft, sodass wir vom nach wie vor steifen Wind nicht viel abbekamen. Die Strecke ist durchgehend gut befahrbar, allerdings nicht immer am Kanal entlang. Wir mussten in Teilen auf die wenig befahrene Straße ausweichen. Auch hier sind die Dörfer so klein, dass es keine Cafés für eine kleine Cappuccino-Pause gibt. Die Regenaussichten hatten inzwischen stark nachgelassen, und ab jetzt bleibt es trocken und sonnig für heute. Erst nach 30 km, 16 km vor Nancy, fanden wir das sehr nette Café Le Globe in Dombasle-sur-Meurthe. Die Menschen dort sind sehr freundlich, trotz unserer sehr knappen Französisch-Kenntnisse. Der Wirt begrüßt uns mit Handschlag. Essen holt man sich in der Bäckerei gegenüber. Das Café ist zu der späten Vormittagszeit Männersache, wie man das so kennt.

Nach 7 km über die stärker befahrene Straße – eine Strecke am Kanal entlang haben wir nicht eruiert – ging es dann bis in die Innenstadt von Nancy am Kanal entlang. Eine, mit wenigen Ausnahmeabschnitten, sehr gut befahrbare, im Stadtgebiet durchweg asphaltierte und sehr abwechslungsreiche Strecke. Man kommt am Ende des Hafens an einer Hubbrücke nach links direkt auf die zentrale und beeindruckende Place Stanislas. Nach einer kurzen Stadtrundfahrt machten wir dort in der Sonne – es ist immer noch sehr frisch windig – eine Trinkpause. Die halbe Bier kostete hier 7,80 €uro; und übrigens an anderen weniger berühmten Stadtplätzen kaum viel weniger. Unser gestern neu geplantes Tagesziel war Toul, 21 km Luftlinie westlich von Nancy. Nun hätten wir den Kanal 6 km zurückfahren können, um den Verbindungskanal zur Mosel südlich von Nancy zu befahren (Canal de Jonction). Wir beschlossen aber, den kürzeren Weg „über den Berg“ zu nehmen. Und der hat es in sich. Es ging aus der Stadt wirklich steil bergauf. Von 202 m auf der Place Stanislas geht es innerhalb von 9 km auf 405 m hinauf mit einem Durchschnitt von 9,2 km/h. Mein Kollege hat mit seinem Mountain-E-Bike einen gewaltigen Vorteil und muss immer wieder auf mich warten. Das bestärkt mich langsam, auch irgendwann mal ein Rad mit Antriebshilfe zu beschaffen. Leider ist die Abfahrt zur Mosel mit knapp 4 km um einiges kürzer, entschädigte aber trotzdem für die gewaltige Anstrengung vorher.

Stellen wir mal einen rechnerischen Vergleich der Bergstrecke gegenüber dem Umweg an. Die Bergstrecke sind 13,5 km mit einem Gesamtschnitt (einschließlich der Abfahrt) von 11,9 km/h bei einer Dauer von 1:08 h. Die Flachstrecke sind 28,2 km. Bei einem angenommenen Schnitt von 18 km/h würde sie 1:35 h dauern. Selbst wenn man flott fährt und auf einen Schnitt von 20 km/h käme, was wir in einzelnen Streckenabschnitten locker geschafft haben, dauert die Umgehung immer noch 1:25 h. Dabei belassen wir diese hypothetische Betrachtung und ziehen keine allgemein gültigen Schlüsse daraus. Vor Ort berechnet man so etwas meistens nicht, sondern fährt eher nach Gefühl einfach los.

An dieser Stelle bietet es sich an, ein Routing-Beispiel mit den unterschiedlichen Karten anzuführen. Komoot und die darin befindliche OpenCycle Map (OCM) zeigen auf dem Weg durch den Auwald der Mosel eine Strecke direkt am Flussufer entlang an. In der OCM wird sogar ein Weg bezeichnet als LBM, der einen Rundkurs an Fluss und Kanal entlang rund um „unseren Berg“ von Nancy über Toul bezeichnet (im Web zu finden unter Boucle de la Moselle; die Abkürzung LBM ist aber nicht auffindbar; könnte „Le Boucle Moselle“ bedeuten). So muss man sich über verschiedenste Quellen durchwurschteln. Im Bild die geplante Route in grün, der gefahrene Track in türkis mit den roten Pfeilen. Am Ende zeigt sich: Plane deine Tour einigermaßen sinnvoll als Route für dein GPS-Gerät und schaue aufmerksam in der Realität. Zum Beispiel wirst du ganz frisch hergerichtete, gar neu asphaltierte Wege ohnehin nicht korrekt vermerkt in den Karten finden. So bleibt immer noch ein Schuss „Abenteuer“ mit angenehmen – oder gelegentlich auch weniger angenehmen – Überraschungen.
Ein paar Worte noch zum Wind, der uns auch heute bis abends begleitet hatte – oder besser entgegnet war. Wenn du quasi einen ganzen Tag gegen mehr oder weniger starken Wind fährst, nervt das irgendwann
gewaltig. Vor allem auch die enorme Lautstärke auf den Ohren – ohne Unterbrechung. Wenn man das nicht mal erlebt hat, hat man davon keine Ahnung. Kaum lässt der Wind mal ein bisschen nach und man schaltet einen Gang höher, legt der Wind wieder zu. Du musst permanent treten. Und nur wenige Kilometer sind mal so geschützt, dass man mal locker rollen lassen kann. Das kann einem überall passieren und gehört zu den Unbilden wie Nässe von oben: Dagegen ankämpfen und durchhalten oder einfach die Tagesetappe abkürzen (sofern man zeitlichen Puffer hat).

Eingangs Toul beeindruckt die Lage der Kathedrale (Bild) oberhalb der nahezu vollständigen Vauban’schen Befestigungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert. Das ist mal ein Anblick. Unser Hotel lag mitten in der Stadt an der kreisrunden Place des trois Eveches. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich es mit einer vollautomatischen Rezeption zu tun. Im Hausflur stand ein gelber Kasten mit einem Berührbildschirm, der mir nach Eingabe meiner Daten die Schlüsselkarte auswarf. Zum Glück kam einige Zeit später doch noch jemand, der uns erlaubte, die Räder im Hausflur abzustellen, sodass wir sie nicht mit aufs Zimmer nehmen mussten – das wäre auch sehr eng geworden. Und er gab den WLAN-Schlüssel heraus, sodass wir kostenlos unsere Tagesplanung für morgen machen konnten.
Ja, Tagesplanung: Da stehen zwei Themen an. Erstens, welche Route und Etappe planen wir ein; zweitens ergibt sich daraus, wo wir die nächste Übernachtung brauchen bzw. bekommen. Wobei erstens auch durch zweitens beeinflusst werden kann. Die Route ist ja dank Komoot, Garmin und BaseCamp bereits weitestgehend durchgeplant. Und wenn man ein konkretes Ziel im Kopf hat und noch dazu zeitliche Beschränkungen, wird man an der grundlegenden Route nichts ändern, von Anpassungen im Detail abgesehen, wie sie gerade oben beschrieben wurden. Die wichtigere Frage ist dann, wie weit bzw. bis wohin kommen wir morgen? Wobei sich das, wie unter Tag 2 beschrieben, ja durchaus auch unter Tags ändern kann. Beschränkende Variablen sind insbesondere schlechtes Wetter mit Regen und/oder massivem Gegenwind. Viele Steigungen, die die Durchschnittsgeschwindigkeit einschränken, sollten ja planbar sein. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, die Etappen mit den benötigten Unterkünften zu planen, sofern nicht von vornherein eine fertig geplante und gebuchte Tour feststeht. Man fährt einfach drauf los und hofft, an einer gewünschten Stelle schon ein Bett zu finden. Das geht; das habe ich auf allen anderen Mehrtagestouren so gemacht. Und es hat auch immer wirklich ausnahmslos funktioniert. Ich habe nie eine dumme Überraschung erlebt, die mich noch unerträgliche Extrakilometer am Abend gekostet hätten – auch wenn so etwas nicht uneingeschränkt übertragbar ist. Aber auf dieser Tour war uns das etwas zu riskant. Eine Ausnahme war das ursprüngliche zweite Etappenziel Nancy, wo wir „immer irgendein Zimmer finden würden“. Aber da hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht und wir „mussten“ im Hausboot nächtigen. Ok, die 30 oder gar 40 Kilometer hätten wir abends auch noch gebissen. Aber das wäre dann schon stressig geworden.

Nun gibt es als zweite Möglichkeit Smartphones mit weltweitem Internetzugang an nahezu jedem beliebigen Ort. Und so kann man bei Bedarf schnell mal schauen, ob „in den nächsten 30 Kilometern“ ein Zimmer frei ist. Wir haben es ab Lagarde dann so gehalten, abends im Hotel mit Karte und WLAN mittels HRS oder Booking.com das nächste Hotel zu buchen. Und wo das nicht klappte, half das Telefon wie im Fall Bar-le-Duc, wo Booking.com auf einmal vermeldete, dass gerade das letzte Zimmer vergeben worden sei. Der Telefonanruf bei dem Hotel hat dann etwas Besseres ergeben – sie hatten doch noch Zimmer frei. Ich verlasse mich spätestens seitdem nicht mehr auf die Pressing-Marketing-Aktionen dieser lästigen Webseite Booking.com: „noch ein Zimmer frei“ oder so. Zum Suchen ist Booking.com besser als HRS, weil es viel mehr Einträge hat. Buchen tue ich aber lieber anders.

Nun ergibt sich aus der neuen Etappenplanung möglicherweise eine andere Route als ursprünglich geplant. Man kann jetzt auch mit seinem Garmin einfach weiterfahren und die Abschnitte nehmen, wie sie kommen. Einzelziele wie Hotels kann man ja eh auf dem Gerät einpflegen. Aber das Umplanen kompletter Tagesetappen auf dem Ding kannst du vergessen. Also habe ich mein Notebook dabei, sodass ich täglich die neue Route durchplane und auf den Garmin übertrage. Ob das jeder so machen mag, muss er selber wissen.

Etappe Tag 3:



Vierter Tag, Donnerstag, 08.06.17– Bar-le-Duc
Das Wetter war an dem Tag traumhaft. Wir starteten mit einer kurzen Stadtumrundung entlang der Befestigungsanlage und drehten dann wieder auf die Kanalstrecke ein, die durchweg gut befahrbar ist. In Foug bei Kilometer 8 der Kanalstrecke versperrte uns wieder ein Kanaltunnel den Radweg, was zwangsläufig ein paar Höhenmeter und Extrakilometer nach sich zieht. Umsonst würden die nicht den sehr aufwändigen Kanaltunnel gebaut haben. Der Umweg ist längenmäßig vernachlässigbar. Aber die 50 Höhenmeter gehen in die Beine. Nach der Abfahrt kreuzten wir den Kanal. Es gibt dort aber keinen Radweg; zumindest nichts, was man auf einer Mehrtagestour mit Gepäck fahren möchte. Das erlebten wir übrigens an mehreren Stellen. Da haben die französischen Radwegplaner und -bauer noch einiges zu tun, um die Lücken zu schließen – von hilfreicher Beschilderung zumindest in Zweifelsfällen mal ganz zu schweigen. So war die mit Garmin geplante Route am Kanal entlang ein ‚Fake ‘, auf Deutsch „ein Kartenfehler“ (wobei der Garmin da gar nichts dafür kann; das liegt an der verwendeten openmtbmap). Also fuhren wir erst mal 4 km auf der Straße, rechts kam der Kanal mal wieder „vorbei“, links die autobahnmäßige, stark befahrene N4, als wir an einem Abzweig beschlossen, einfach mal „ins Gelände“ auf einer asphaltierten Straße zu fahren. Und tatsächlich kamen wir nach 3 km quasi im Nirgendwo wieder auf einen befahrbaren Weg. Die Fahrrinne war zwar schmal zwischen den Grasstreifen, vielleicht gut eine Handbreit. Aber es ging gut, und die Strecke ist interessant auf einem Hochdamm angelegt, über den der Kanal führt. Das findet man hinter Pagny-sur-Meuse/Troussey. Tatsächlich schlängelt sich hier auch die Maas (französisch Meuse) entlang. Und nach gut 600 m erreichten wir den Kanalabzweig des Canal de la Meuse. 800 m weiter kreuzt unser Kanal die Maas mittels einer Kanalbrücke. Einen kurzen Abschnitt geht es nicht am Kanal weiter und nach 3 km unterquerten wir die N4, die hier direkt am Kanal entlangläuft. Der Radweg verläuft genau zwischen beiden. Idyllisch der Kanal auf der einen, etwas unpassend aber kontrastierend die rasenden LKWs auf der anderen Seite (Bild). Das Foto zeigt die Fahrspur des Radwegs, wie man sie über weite Strecken antrifft. Und nach weiteren 3 km erreichten wir das etwas größere Örtchen Void-Vacon, in dem wir – wie gehabt – im Café Kaffee tranken und uns in der Bäckerei 'Au four à bois' gegenüber die Croissants holten (Bild).

Von Void-Vacon aus geht es zunächst noch ein Stück am Kanal entlang; dann aber nur noch auf der Straße, die den Kanal begleitet, den Berg hinauf 12 km bis Mauvages. Berg ist allerdings übertrieben. Die knapp 40 Höhenmeter „rauschten“ wir mit 20 bis 23 km/h rauf – bei strahlendem Sonnenschein und wenig Schatten. 12 Schleusen befinden sich auf diesem Kanalabschnitt. Dann kommt der Tunnel de Mauvages mit 4.880 m Länge. Für die Schiffe eine Abkürzung, bedeutet das für den Fahrradfahrer zusätzliche 112 Höhenmeter. Und je nach gewählter Route hat es die Strecke in sich. Man kann den einfachen Weg über die Straße nehmen. Oder den „über den Berg“. Wir haben uns für letzteren entschieden, weil ein


schöner Feldweg von Mauvages aus durch die Felder hinaufführt auf die Kuppe mit den Windrädern. Allerdings führt der Weg wörtlich „in den Wald“. Für die Windräder gibt es beste Zufahrtswege. Aber der auch vom Garmin angezeigte Weg tauchte nicht so einfach auf, bis wir ihn als Querfeldeinweg identifizierten. Immerhin verläuft er in absolut gerader Linie direkt oberhalb des Kanaltunnels. Jedoch endete er plötzlich, und wir mussten auf einen Forstweg abbiegen, der uns zum nächsten Dorf brachte. Ein Umweg, aber unvermeidbar. Über die Straße ging es dann zum Kanal zurück am anderen Tunnelausgang, dessen Besichtigung wir uns aber sparten; er liegt eineinhalb Kilometer entfernt hinter einer Kurve; und die Kanalportale sehen ja alle ziemlich gleich aus. Boote waren hier eh keine mehr unterwegs. Die meisten trafen wir bis Gondrexange bzw. Lagarde (siehe Tag 2).

Von dort ab ging es in sehr zügiger Fahrt auf exzellent asphaltierter Strecke den Kanal entlang 38 km mit Schnitt über 21 km/h bis Bar-le-Duc. Der Kanal zieht auf den ersten knapp 20 km angenehm abwechslungsreiche Schleifen durch das Tal des Ornain, der hier eine sanfte Auenlandschaft bildet. Dieses Stück bis Ligny-en-Barrois ist ein Bilderbuchstück und toppt die nette Anfahrt nach Mauvages von Troussey aus noch. Aber auch der zweite Teil der Strecke bis Bar-le-Duc ist sehr angenehm zu fahren.

Im Hotel Bertrandt wurden wir sehr freundlich aufgenommen und genossen anschließend das ausgesprochen günstige viergängige Menu du Jour für 13,50 €uro plus ein Glas Wein für 2,00 €. Ok, es war kein Gourmet-Menu aber erstens reichlich und zweitens schmackhaft und drittens die Käseplatte so riesig, dass man davon alleine hätte satt werden können. Der heutige Tag war absolut 1A, wobei die ersten drei Tage auch nicht schlecht waren.
Etappe Tag 4:



Fünfter Tag, Freitag, 09.06.17 – Epernay

Heute musste es erst einmal wieder regnen, wenn auch nur leicht. Wir begannen mit einer kleinen Stadtrundfahrt. Die Stadt hat aber mehr zu bieten, als wir auf der Minirunde an Zeit spendieren wollen. Nach einer kurzen Anfahrt auf der Straße stießen wir wieder auf die Kanalstrecke. Von hier ab ging es bis zur Pausenstation in Vitry-le-François ununterbrochen am Kanal entlang, aber wie! Die 47 km Strecke waren teils katastrophal, was die Oberflächenbeschaffenheit anbetrifft. Geländetechnisch könnte man zügig fahren. Es ist flach, der Kanal zieht lange Kurven zwischen ausgedehnten Geraden. Wir schafften aber auf den 37 km nur einen Schnitt von 17,0 km/h. Wenn ich mich richtig erinnere, ist kein einziger Meter dieser Teiletappe asphaltiert. Das Beste war noch ein guter Feldweg. Das Schlimmste war „ehemaliger Asphalt“, eine Oberfläche, die wie ein stark erodierter Asphalt aussieht, der aus mehr Nichts, sprich Löchern, als aus Asphalt besteht (Bild rechts oben). Das Fahrgefühl erinnert an eine Wellblechpiste. Das Eigenartige ist, dass die Oberfläche alle paar Kilometer wechselt. Es fällt auf, dass manchmal zwischen zwei Schleusen ein anderer Belag existiert. Wir fragen uns, wieso Abschnitte mittendrin mal irgendwann in der Vorzeit asphaltiert worden sein könnten, aber nie mehr gepflegt wurden. Das Foto zeigt einen solchen Streckenabschnitt bei Kanalkilometer 26,8 ab Bar-le-Duc in Höhe Pargny-sur-Saulx. Übrigens sahen wir auf diesem Abschnitt gelegentlich Transportschiffe. Und als bei Brusson eine Straße den Kanal kreuzt, die in unsere Richtung führte, bogen wir auf selbige ab und rollen entspannter die letzten 9,4 km bis in die Stadt. Vitry-le-François glänzt mit einem großen unaufgeregten Stadtplatz. Bei bedecktem Himmel konnten wir aber draußen sitzen und wir genossen die Entspannung.

Der Rhein-Marne-Kanal endet in Vitry-le-François. Hier hatten wir die Marne erreicht. Kanalstrecke geht aber weiter, weil die Marne hier nicht durchgängig schiffbar ist, und heißt ab hier Marne-Seitenkanal. Die Strecke ist nun wieder sehr passabel, wenn auch mit wiederum wechselnden Oberflächen, und durchgehend am Kanal entlang; dieser schiebt sich ohne merkliche Biegungen durch das Marne-Tal, die hier durch ihre Auen mäandert. Das Bild zeigt einen der schlechteren, aber durchaus erträglich zu befahrenden Abschnitte. 10 km vor Châlons-en-Champagne ist dann ein nagelneuer „Champagner-Asphalt“ aufgelegt; dieser Abschnitt geht schnurgerade bis in die Stadt und setzt sich auch danach ein Stückweit fort. Wir bogen aber kurz in die Stadt ab, um auch dort den Hauptplatz anzuschauen – und ein Bierchen zu trinken.

Nach 37 km, davon 30 km teils schnurgerade am Kanal entlang auf wechselnder Streckenqualität, aber immer ordentlich befahrbar (Bild rechts unten), erreichten wir in Epernay, der Champagnerhauptstadt, unser Hotel in einer stilvollen ehemaligen Kaserne, die zum „Businesspark“ umgebaut wurde.


Etappe Tag 5:



Sechter Tag, Samstag, 10.06.17– La Ferté-sous-Jouarre

In der Früh, bei bestem Wetter, fuhren wir zunächst noch die Avenue de Champagne in Epernay ab, an der die Paläste der „Mega“-Champagner-Kellereien liegen. Dann geht es wieder zum Kanal, der aber nach 2 km endet und in die Marne übergeht. Überhaupt kommt es ab jetzt vor, dass der Kanal gelegentlich in der Marne verschwindet und später wieder ausmündet. Teils werden, nehmen wir an, weniger schiffbare Passagen und teils auch Mäander des Flusses abgegrenzt. In Folge geht der Radweg nicht immer direkt am Wasser entlang. Der Weg ist aber durchweg gut zu finden und auch gut zu fahren, hat aber streckenweise mehr den Charakter eines mehr oder weniger breiten Waldweges.

In Reuil bei Kanalkilometer 14 ab Epernay war ein Radweghinweisschild (ja, gab es hier mal ausnahmsweise) „Dormans“ überklebt und wir befürchteten schon die Sperrung der Strecke. Kurz dahinter verlor der Asphalt plötzlich seine gute Oberfläche und ging für ein paar Kilometer in relativ groben Rollsplit über, der nicht so rollend war, wie sich das anhört, eher im Gegenteil. Und dann sahen wir den Grund hinter einer Kurve: Ein Absperrband über dem Weg und ein paar Baumaschinen. Dahinter kam wieder neuester Asphalt. Die Streckenbauer waren wohl gerade am Bauen der Strecke. Das war also der Grund für die oben genannte Beschilderung; der Weg war aber durchgehend befahrbar. Zumindest bis Dormans, wo wir eine Café-Pause machten und dann auch mangels Radweg am Fluss bzw. Kanal ein Stück von gut 8 km Straße fahren mussten. Das brachte uns kurz hinter Passy-sur-Marne ein Stückweit in die Weinberge oberhalb des Flusstals mit einer netten Aussicht. Gegenüber des schattigen Parkplatzes steht eine der zahllosen Champagner-Kellereien, die das ganze Tal säumen. Die Gegend erinnert sehr an einige Passagen des Mains mit den Weinbergen. Inzwischen hatte es ganz ordentliche Temperaturen erreicht. Es war herrliches
Sommerwetter. Und bei Mont-Saint-Père gegenüber einer Insel im Fluss zog es mich ins Wasser. Es gibt dort einen guten Einstieg und ich kühlte mich ordentlich ab. Wobei das Wasser gar nicht mal so kalt war, kaum viel weniger als in einem temperierten Freibad – wenn überhaupt.

8 km weiter, in Château-Thierry, machten wir eine sehr ausgedehnte Schlemmerpause, die uns das Abendessen ersparte. Danach ging es zügig weiter, wobei nicht jeder Kilometer am Fluss entlangführte. Einen Kanal gibt es hier nicht mehr. Die Straßenabschnitte, die wir fuhren, nutzten wir schon zum Teil deshalb, weil wir uns nicht die Zeit nehmen wollten, flussnahe Streckenabschnitte zu erkunden, die möglichweise hinter der übernächsten Kurve ins Nichts führten. Insofern mag es die eine oder andere befahrbare Passage mehr am Fluss geben. Aber der Fluss kurvt hier auch um manchen Weinberg, wo man mal ein paar hundert Meter abkürzen kann oder gar muss, zum Beispiel bei Luzancy, 5 km vor unserem Etappenort La Ferté-sous-Jouarre. Kurz vor Crouttes-sur-Marne nutzten wir nochmals die Gelegenheit zum Abkühlen im Fluss. Allerdings war die Einstiegstelle (Bild) nicht so ideal wie vorher. Da streckenweise das Ufer ziemlich dicht bewachsen und teils auch relativ steil und hoch ist, findet man eigentlich nur wenige passende Stellen zum Schwimmen. Man sollte sich bietende Gelegenheiten frühzeitig nutzen und nicht hoffen, dass es besser wird.

In La Ferté-sous-Jouarre gingen wir noch auf ein Bier in die Stadt mit sehenswertem Rathausplatz. Leider konnten wir am Markt nicht von den regionalen Köstlichkeiten einkaufen, weil wir das nicht schleppen wollten.

Etappe Tag 6:



Siebter Tag, Sonntag, 11.06.17 – Paris

Der Plan war ja, Paris am letzten Tag über den Canal de l’Ourcq zu erreichen. Der Kanal trifft an der Mündung des Ourcq in Lizy-sur-Ourcq auf eine Marne-Schleife etwa 7 km Luftlinie nördlich unserer Strecke. Leider ist aber in Lizy über das Internet keine Unterkunft auszumachen. Deshalb haben wir am vorvorigen Abend entschieden, in La Ferté-sous-Jouarre zu übernachten, das 19 Fahrkilometer ostwärts von Meaux liegt und in Meaux den Einstieg in den Canal de l’Ourcq zu nehmen. So haben wir die Marne-Schleife zwischen La Ferté-sous-Jouarre und Meaux über Lizy ausgespart.

Heute in der Früh stand also als erstes Stück die Fahrt nach Meaux an. Wie gesagt: Marne-Schleife abkürzen, was – wie (fast) immer – „über den Berg“ heißt, und auch noch „über die Hauptstraße“. Diese können wir die ersten 9 km noch über den Radweg bzw. eine Nebenstraße durch das Marne-Tal vermeiden. Aber dann geht es gnadenlos auf die, zum Glück am Sonntagmorgen nicht ganz so stark befahrene, N3 und gute 60 Höhenmeter hinauf.

In Meaux haben wir an der Place Saint Pierre unter der Kathedrale eine Cappuccino-Pause gemacht. Und hinter dem Bahnhof fanden wir den Einstieg auf den sehr guten Radweg am Canal de l’Ourcq entlang. Einzig das kurze Stück der Schleife um den Flugplatz von Meaux herum kürzen wir über den Berg ab. Aber von Trilbardou aus geht es bis fast ins Herz von Paris nun am Kanal entlang auf einer sehr gut ausgebauten, wenn auch nicht durchgehend asphaltierten Strecke. Auf den ersten 15 km der
Strecke gab es auch mal wieder Abweichungen der tatsächlichen Strecke von der in BaseCamp für den Garmin geplanten Route, wo augenscheinlich die Karte unqualifiziert ist. Im Bild türkis gepunktet der reale Track und grün die OSM-Kartenroute. Wie bereits bei Tag 3 (Abschnitt an der Mosel zwischen Nancy und Toul) beschrieben, ist die Wirklichkeit manchmal besser als die Karten. Deshalb auch hier nochmals der Tipp für alle Nachahmer: Versuche nicht, auf Teufel komm raus eine super genaue Route am PC zu planen. Du wirst wegen der Kartenfehler im Zweifel vergebene Liebesmühe und damit vermeidbare Zeit spendieren, die du zum Beispiel besser mit der vorsorglichen Suche nach potenziellen Verpflegungs- und Übernachtungsmöglichkeiten verbringen kannst, um mit den Tageszielen flexibler zu werden.

Nach etwa Zweidrittel der Strecke wollten wir eine kleine Pause machen und landeten am Marktplatz von Villeparisis. Eine stark von arabischen Ausländern geprägte Vorstadt. Im einfachen Café Le Marche war aber draußen kein Tisch mehr frei. Der Wirt sah uns und schickte seine Töchter heraus, um einen zusätzlichen Tisch und zwei Stühle aufzustellen. Das nenne ich mal aufmerksam! Und sie bedienten uns sehr flott und sehr freundlich. Und das frisch belegte Baguette war eines der besten, das ich seit langem gegessen hatte. Solche Erlebnisse bleiben gerne in Erinnerung.
Der Wiedereinstieg in die Strecke am Kanal entlang ist hier nicht so einfach, weil der Treidelweg ab hier für knapp 5 km nicht befahrbar ist (wenn ich mich recht erinnere, ist er hier nur für Fußgänger freigegeben). Der Radweg geht parallel zum Kanal durch den Wald etwas wellig auf und ab, er ist aber gut befahrbar (ich meine mich zu erinnern, er wäre sogar asphaltiert, aber ohne Gewähr). 2,5 km weiter hinter der nächsten Straßenbrücke muss man nochmals aufpassen, den korrekten Weg zu finden.

Die Kanalstrecke insgesamt ist sehr interessant zu fahren. Aber es nahm auch langsam der Fahrradverkehr zu, wobei jedoch darauf hingewiesen sei, dass es Sonntag bei herrlichem Wetter war,; auch Familien mit Kindern waren unterwegs. Aber bis zur Stadtgrenze von Paris unter dem Boulevard périphérique an der Porte de la Villette bei unserem Kanalstreckenkilometer 45 wurde der Verkehr nie dicht. Ab hier tummelten sich aber wirklich die Menschen auf der Promenade, die am Parc La Villette auch Freizeitfläche wird. Ab hier ing für die letzten knapp 4 km nur noch ein Schnitt von 11 km/h. Und am Ende des Bassin de La Villette und über die Place Stalingrad ist Schieben angesagt. Aber ich genoss das Gewusele der Großstadt, besonders am Sonntag, wo sich viel Leben im Freien tummelt.
Etappe Tag 7:



Nach 649,6 km erreichten wir um kurz vor halb vier Uhr unser Hotel, checkten ein und luden das Gepäck ab. Und dann ging es auf Stadtrundfahrt, die uns auf 22 km mitten durch den Verkehr der Megacity trieb. Wir fuhren über die mehrspurigen Boulevards und genossen dort vor allem die für Fahrradfahrer, Busse und Taxis reservierten Fahrspuren. Ich komme mir eigentlich nie gefährdet vor. Dabei hatten uns viele vor dem „irren“ Verkehr in Paris gewarnt, den ich selber aus eigener Erfahrung mit dem Auto gut kenne. Die Place de la République ist inzwischen vom kreiselnden Autoverkehr befreit und teils Fußgängerbereich. Wir fahren am linken Seine-Ufer entlang, Notre Dame, Regierungsviertel, Invalidendom zum Eiffelturm. Jetzt wurde es Zeit, ein Selfie nach Hause zu schicken, um das Erreichen unseres Ziels zu dokumentieren. Weiter über den Pont d’Iéna durch die Rue de Magdebourg zur Avenue Kléber, wo wir bei einem Chinesen unser Abendessen einnahmen. Und dann ging’s zum absoluten Fahrradhighlight Arc de Triomphe aka Place de l’Étoile aka Place Charles-de-Gaulle. Den Platz mussten wir natürlich einmal umrunden, bevor wir auf die Avenue des Champs-Élysées einbogen. Mein Tourkollege fuhr voraus und wegen einer gerade existierenden Verkehrslücke – es ist immer noch Sonntag – schnurstracks auf die Mitte des Platzes und hielt am Bordstein an. Wir hatten natürlich einen tollen Blick. Aber wie jetzt zurück über den 60 Meter breiten Platz mit seinem kreiselnden Autoverkehr? Der Plan war eigentlich gewesen, den Platz ganz außen zu umrunden. Da stehen wir nun. Ich legte also los und fuhr einigermaßen zügig einen immer größer werdenden Radius nehmend durch den kreisenden Autoverkehr. So ganz locker nahm ich das nicht; aber ich war aufmerksam in alle Richtungen und es ging besser, als ich erwartet hatte. Nachdem ich so etwa Zweidrittel der Runde hinter mich gebracht hatte, tat sich wieder eine Verkehrslücke auf. Ich hielt den rechten Arm sehr deutlich heraus und zog so ungestört an die Ausfahrt zur Avenue des Champs-Élysées. Dort hielt ich an, um zu sehen, wo mein Kollege war. Und der stand immer noch am selben Fleck. Zwischen uns waren es 60 m Pflastersteine und „ein paar“ kreisende Autos und Busse. Da ich ja inzwischen schon „Routine“ habe, überlegte ich kurz, ihn abzuholen – das hätte ich dann doch schon gerne noch einmal riskiert. Es machte ja schließlich auch Spaß, auch wenn da schon ein höheres Risiko war, dass irgendein Autofahrer gerade mal nicht aufpasst. Sooo viele Radler kreisen nicht am Platz. Und Rücksichtnahme, wie ich sie in Rom erlebt habe, erwartete ich hier in Paris eher nicht so. Aber da fuhr er auch schon los. Schade denke ich. Und er kommt nach seiner Runde unbeschadet bei mir an. Unterm Strich empfehle ich die Nachahmung aber höchsten den ganz hart Gesottenen, weil man in den Autofahrern eben „nicht drin steckt“, von denen mancher vielleicht genauso Bammel hat, wie du als Radfahrer, weil er den Kreisel auch nicht gewohnt ist – die sind das höchste Risiko. Die Abfahrt auf der Avenue des Champs-Élysées ist das eigentliche Fahrradfahrerhighlight; alle Tour de France-Kenner wissen das. So rollten wir natürlich zügig mit dem Verkehr die Straße hinunter. An der Place de la Concorde schoben wir lieber hinüber in und durch den Tulerien-Garten, weil die Rue Rivoli Einbahnstraße ist. Über die Place Vendôme und die Rue Laffitte, durch die man mit imposantem Blick auf den Berg der Sacré-Cœur zufährt, fuhren wir zurück zum Hotel.
Achter Tag, Montag, 12.06.17 Paris – Versailles

Nun war die Tour noch nicht ganz zu Ende. Am Montag sollten wir noch ein paar Kilometer in der Stadt bekommen, die bei Berufsverkehr auch ganz aufregend waren. Aber nicht schlimmer als zuvor am Sonntag. Auffällig waren auch in anderen Straßen als den großen Boulevards die separaten Fahrstreifen für Busse, Fahrräder und Taxis. Straßen wurden einfach zu Einbahnstraßen gemacht und eine Hälfte als Sonderspur abgetrennt. Und so bekommt man dann auch eine Megacity fahrradfreundlich, zum Beispiel die Rue Beaubourg entlang Centre Pompidou.

Ziel war, meinen Kollegen noch nach Versailles zu begleiten, der weiter in die Normandie fahren wollte. Ich musste aus Zeitgründen am nächsten Tag mit der Bahn zurück. Und dann passierte es auf der Rückfahrt von Versailles in einem Vorort. In einer zu dem Zeitpunkt unbelebten und übersichtlichen Wohnstraße parkten rechts Autos. Und plötzlich sprang völlig unvermittelt ein drei- bis vierjähriges Kind zwischen den Autos direkt vor mein Rad. Ich hatte keine Chance zu bremsen oder auszuweichen und landete innerhalb von 40 Minuten mit einigermaßen schweren Verletzungen im Krankenhaus. Das war dann das Ende der Radtour. Inzwischen geht es mir wieder so gut, dass ich diesen ausführlichen Reisebereicht nachrecherchieren und schreiben kann.

Tourenfazit

Es war eine sehr interessante Tour, die ich jederzeit empfehlen kann. Nachahmer mögen ihre eigenen Varianten finden. Man kann zum Beispiel in Straßburg direkt am Rheinhafen starten, um den vollständigen Rhein-Marne-Kanal abzufahren, oder auch noch den kompletten Canal de l'Ourcq von Lizy-sur-Ourcq oder gar von seinem östlichsten Endpunkt bei Silly-la-Poterie abfahren. Langweilig wird es eigentlich nie, auch immer am Kanal entlang nicht. Im Bericht wurde schon erwähnt, dass wir praktisch keine Zeit für Besichtigungen eingeplant hatten. Wer mag, kann das aber tun. In vielen Orten gibt es einiges zu sehen, wozu man erste Hinweise zum Beispiel in den jeweiligen Wikipedia-Artikeln finden kann. Jeder erfahrene Tourenradler weiß aber auch, dass sich die Tagesetappenlänge dabei schnell mal halbieren kann. Das muss entsprechend eingeplant werden.

Interessant sind bestimmt auch Nachforschungen, inwieweit von uns ausgesparte Abschnitte eventuell tatsächlich befahrbar sind. Dazu bräuchte man aber mehr Zeit und vor allem Flexibilität, was die Tagesetappen anbetrifft; der eine oder andere vergebliche Kilometer, wo man wieder zurückfahren muss, kann da gut zusammenkommen. Insbesondere dafür könnte eine weitergehende Erforschung von Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Strecke hilfreich sein, wenn man vor allem auch Abstecher weg von der geplanten Route einkalkuliert (zum Beispiel 8 km nach Lunéville), und sich eine ausführliche Liste von Unterkünften mitnimmt, die man vorher zusammengestellt hat. Ob man in den etwas größeren Städten wie Saverne, Bar-le-Duc oder Vitry-le-François ohne Vorausbuchung ein Zimmer hätte bekommen können, können wir nicht beurteilen. Dass die Gegend touristenüberlaufen ist, kann man nicht sagen, außer der Route du Champagne im Marne-Tal vielleicht, insbesondere Epernay. Aber es gibt halt auch nicht viele Hotels in den Städten, die ja kaum gut zehn- oder vielleicht zwanzigtausend Einwohner haben. Und auf Booking.com und HRS kann man sich nicht ausschließlich verlassen, wie oben beschrieben.

Die unterschiedliche Streckenqualität habe ich oben einigermaßen ausführlich erläutert. An manchen Stellen ist das keine Spazierfahrt. Das betrifft insbesondere die Passagen, wo der Feldweg wirklich Feldweg ist: Zwei ausgefahrene Spuren von Traktoren und dazwischen ein Grasbuckel. Das muss man mögen und fahren können. Insbesondere bei Regen kann das schwierig werden, wozu man dann auch gegebenenfalls mehr Zeit einplanen müsste. Aber auch für solche Streckenabschnitte ist kein Mountainbike nötig. Ein gut gefedertes Trekkingrad reicht völlig aus – auch für die nahezu offroad Passage am Tunnel de Mauvages (wenn es trocken ist! Bei Matsch geht hier nicht einmal ein MTB zu fahren).

An dieser Stelle sei nochmals auf die nicht ausreichende Granularität der Karten hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit der Fahrwege hingewiesen (anknüpfend an die Beschreibung in Tag 1 ‚Weg nach Brumath‘). Aktuelle elektronische Karten unterscheiden zwar zum Beispiel wasserfesten Belag, wassergebundene Decke, befestigter oder unbefestigter Weg usw. Die (sagen wir mal) „Leichtgängigkeit des Fahrens“ wird aber nicht kategorisiert. So kann ein schlechter Asphalt deutlich schlecht zu fahren sein, als woanders ein unbefestigter Weg. Des Weiteren ändert sich die Beschaffenheit mit der Zeit. Und der Pflegestand der Karten ist naturgemäß nicht verlässlich. Jeder, der Radtouren plant und durchführt, weiß das. Es sei an dieser Stelle aber nochmals erwähnt. Es wird noch Jahr(zehnt)e dauern, bis dieses Thema für uns Radtourer optimal gelöst ist.

Die nahezu völlig fehlende Beschilderung (Stand Sommer 2017) habe ich bereits vermerkt. Das mag sich im Laufe der Zeit ändern. In dem Zusammenhang ergeht auch nochmals der Hinweis, nicht zu versuchen, die Route Meter um Meter exakt mit Wegpunkten zuzuplanen. Man ist besser beraten, sich die eine oder andere Abbiegestelle in seinem Routenplaner vorher genau anzusehen und zu vermerken, damit man vor Ort aufmerksam ist. Im Bild ist die oben (in Tag 2) beschriebene Stelle „hinter Hesse“ aufgezeigt, deren Fehler ich heute durchaus etwas bereue. Der gefahrene Track im Bild türkis gepunktet, der von BaseCamp geplante in grün; am rechten Rand das Örtchen Hesse. Die rot gestrichelt umrandete Hervorhebung zeigt den Problemfall deutlich: Wir hätten an der Stelle des roten Pfeils nicht einfach geradeaus auf dem Asphalt weiterfahren dürfen.
Andererseits wären wir dann nicht in Lorquin gelandet und hätten vielleicht bis Lagarde keine Verpflegungsstelle mehr gefunden. Aber auch hier hätten wir mit gewissenhafterer Nutzung der verfügbaren elektronischen Information (= Internet) einiges leisten können. Auch erst bei der Nachbereitung fällt auf, dass die in Google Maps angegebenen Geschäfte ziemlich genau loziert sind. Dass wir in Hesse nichts gefunden haben, lag daran, dass wir nur ins Dorfzentrum gefahren sind, was wir ziemlich „tot“ fanden. Hätten wir weitergesucht, hätten wir vielleicht (nur mal so als Beispiel) die Boulangerie Haoury gefunden, die sogar eine eigene
Webseite hat. Unabhängig davon empfiehlt es sich, für alle Fälle auf den Passagen mit den kleinen Dörfern Verpflegungsreserven dabei zu haben; ein paar Eiweißriegel sind da zu wenig.

Kann man die Strecke ohne GPS-Navi machen? Ja, man bräuchte theoretisch nicht einmal eine Karte. Allerdings wird man die Strecke, nachdem sie abschnittsweise nicht direkt am Kanal entlanggeht, unter Umständen nur mit längerem Suchen wiederfinden. Man hat ja keine Ahnung, wo die Strecke weiterführen könnte. Und selbst eine Straßenkarte (zum Beispiel die französische IGN Serie rouge im Maßstab 1:250.000) ist viel zu grob. Da ist dann zumindest ein SmartPhone (mit dem passenden Datentarif) zu empfehlen, was man zweckmäßigerweise für Übernachtungen und Verpflegungsstellen ohnehin braucht, wenn man nicht auf Zufall setzen möchte. Allerdings kann man sich nicht auf lückenlosen Empfang verlassen, obwohl wir da nur wenige Probleme hatten – wenn wir es brauchten.


Essenzen der Streckenabschnitte in der Übersicht

Tag 1 und 2: Die Kanal-Strecke im Elsass (soweit wir sie gefahren sind von Schleuse 46 bis Arzviller) ist sehr empfehlenswert. Leicht zu finden – immer am Kanal entlang, durchgehend asphaltiert.

Die Strecke hinter Arzviller bis Gondrexange ist etwas schwieriger zu finden, allerdings wegen unseres Navigationsfehlers bei Hesse hier nicht durchgängig dokumentiert.

Tag 2 und 3: Die Strecke zwischen Gondrexange und Nancy ist sehr gut zu fahren, auch wenn es nicht immer direkt am Kanal entlang, sondern teils über (allerdings wenig befahrene) Straßen geht.

Bei Dombasle-sur-Meurthe/Saint-Nicolas-de-Port (im Meurthe-Abschnitt) haben wir keine einfache Strecke am Kanal entlang gefunden und sind ein paar Kilometer über eine stark befahrene Straße gefahren. Nach Nancy hinein war es wieder super am Kanal entlang. Den Abschnitt südlich um Nancy am Canal de Jonction haben wir nicht abgefahren.

Die Strecke hinter Nancy an der Mosel entlang nach Toul ist sehr fein zu fahren, auch wenn das letzte Stück über die Straße geht.

Tag 4: Die Strecke von Toul nach Bar-le-Duc ist ausgezeichnet zu fahren, zwar auch nicht durchgehend am Kanal entlang und mit einigen navigatorischen und fahrtechnischen Rafinessen (hinter Foug und hinter Mauvages) ausgestattet.

Tag 5: Das letzte Kanalstück des Rhein-Marne-Kanals von Bar-le-Duc nach Vitry-le-François war eine echte Strapaze, auch wenn es durchgehend am Kanal entlangging. Da muss man Durchhaltewillen haben.

Die Strecke am Canal latéral à la Marne bis nach Epernay über Châlons-en-Champagne ist sehr gut, teils exzellent zu fahren und leicht zu finden, praktisch durchweg am Kanal entlang.

Tag 6: Und so auch weiter. Ab Dormans (ca. 20 km vor Chateau-Thierry) haben wir nicht permanent den Weg am Kanal entlang genommen haben, weil der gelegentlich auch etwas „rudimentär“ schien, bis hin zu „kaum noch als fahrbarer Weg erkennbar“ oder „man weiß nicht, wie weit der Weg geht und ggf. im Nichts endet“.

Tag 7: Zwischen La Ferté-sous-Jouarre und Meaux haben wir über die stark befahrene Nationalstraße abgekürzt; in Meaux aber den exzellenten, wenn auch nicht durchgehend asphaltierten, Weg am Canal de l’Ourcq entlang genommen, der uns ampel- und verkehrsfrei bis ins Herz von Paris gebracht hat.

Datum Tagesziel Tages km AVS km/h Höh-meter Fahrtzeit h Tourdauer h Übernachtung
05.06.17 Karlsruhe - Lupstein 95,5 20,9 234 04:34 07:49 Francine Huber 40, rue Principale 67490 Lupstein +33388914969 francine.huber@sfr.fr
06.06.17 Lagarde 82,4 16,1 536 05:06 09:44 Navig France 67 Rue Basse 57810 Lagarde navigfrance.com +33 3 87 86 65 01
07.06.17 Toul 81,6 16,1 510 05:04 07:50 ABC Hotel 12 place des Trois Eveches 54200 Toul
08.06.17 Bar-le-Duc 98,7 17,9 475 05:30 08:33 Hotel Bertrand 19, rue de l'etoile 55000 Bar-le-Duc +33329790297 contact@hotelrestaurantbertrand.com
09.06.17 Epernay 122,4 17,5 174 06:59 10:04 Comfort Suites
10.06.17 La Ferté sous Jouarre 96,1 17,3 35 05:32 09:32 Best Hotel
11.06.17 Paris 72,9 17,3 295 04:12 05:58 Hotel Kyriad Canal Saint Martin; alternativ Belta Hotel, 46 rue Lucien Sampaix, belta@beltahotel.com (sehr empfehlenswert!)
gesamt 649,6 22,8 2259 37,0 59,6

Komplette Bildershow

Die vollständige Show aller Bilder findet ihr hier.

Hinweise zum GPS-Track

Der zum Download angebotene GPS-Track umfasst die komplette Strecke von Karlsruhe bis Paris, so wie wir ihn abgefahren haben. Dabei sind naturgemäß auch einige „Fehler“ enthalten, wo wir uns etwas verfahren haben und zum Beispiel das Rad einen Damm hochschieben mussten, um wieder auf die Originalstrecke zu kommen. Diese Fehler sind nicht bereinigt, weil wir keine Gewähr für die Korrektheit einer nachträglichen Korrektur übernehmen wollen. Deshalb findet ihr hier ein paar Hinweise, wie man ein paar Fehler vermeiden könnte.

  1. Tag 1 6 km vor Lupstein: In Hochfelden am Anleger darf man sich nicht von der weiterführenden Straße durch die Wohnsiedlung verleiten lassen, sondern muss zur Radstrecke am Kanal abbiegen.
  2. Tag 2 am Schiffshebewerk Arzviller; der „Fehler“ ist in der Routenbeschreibung dargelegt, wo wir am Ende des Weges an dem Vorbecken den kürzeren Weg zur Straße hätten nehmen sollen
  3. Tag 2 kurz vor Niderviller hinter der Abfahrt vom Niderviller-Tunnel ist der Abzweig zurück zum Kanal im Track enthalten, wo wir dann aber wegen der schlechten Strecke lieber die Straße bis Schneckenbusch genommen haben
  4. Tag 6 in Epernay: man fährt am besten über die Straße direkt zum Kanal und nicht an der Marne entlang; und ein Stück später am Kanal (knapp eineinhalb Kilometer) muss man die Kanalseite rechtzeitig nach rechts (nördliche Seite) an der letzten Brücke vor der Einmündung des Kanals in den Fluss wechseln (der Fehler, den wir durch Weiterfahren links am Kanal gemacht hatten, ist im Track bereinigt)
  5. Tag 7 in Meaux: dort gibt es einen kurzen Aussetzer des Tracks, weil der Akku im Garmin leer gegangen ist; die Lücke ist aber unerheblich

Die Track-Kilometer stimmen wegen der Korrekturen nicht mit den Kilometerangaben in der o.a. Tabelle überein – schon deshalb nicht, weil die Streckenkilometer wie die Durchschnittsgeschwindigkeiten, Fahrtzeiten und Höhenmeter mit dem Bordcomputer und nicht mit dem GPS-Gerät ermittelt wurden.


Web-Quellen

Im Reisebericht sind teils ein paar mehr, teils weniger Detailinformationen angegeben. Dort, wo man leicht per Web-Suche (aka googeln) Informationen finden kann, sind diese verkürzt oder ganz weggelassen. Da der Autor ohnehin keinerlei Gewähr für externe Links, weder für deren Funktionieren noch für dort auffindbare Informationen übernimmt, sind diese auch nur in knapper Auswahl aufgeführt. Interessenten empfiehlt es sich in jedem Fall, eigene aktuelle Webrecherchen durchzuführen.

Um touristische Informationen über den Streckenverlauf zu bekommen, gibt es natürlich zahllose Quellen im Internet. Interessant ist, dass auch im deutschen Wikipedia die Kanäle des weit ausgedehnten französischen Kanalsystems teils ausführlich beschrieben sind. Hier die drei abgefahrenen Teile:
Canal de la Marne au Rhin
Canal latéral à la Marne
Canal de l'Ourcq
Im Radreise-wiki Straßburg - Paris ist ein Großteil derselben Strecke beschrieben (mit weiteren Links).
Der Paneuropa-Radweg Paris – Prag (im französischen Teil) verläuft nur abschnittsweise an den Kanälen entlang (zumindest, soweit er auf den einschlägigen Webseiten beschrieben ist).
Kanal genial: Per Rad nach Paris. Ein sehr nett geschriebener, journalistischer Kurzbericht über praktisch dieselbe Strecke.

In den angegebenen URLs findet man teils zahlreiche weitere Links, zum Beispiel auch mit allen berührten Ortschaften, durch die man sich hindurch klicken kann, und die umfassende touristische Informationen liefern.

Anmerkungen und Anregungen nimmt gerne entgegen: Winfried vom Hofe