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Bundesstraße 11 - Teil 4

Deggendorf - Bayerisch Eisenstein

Nun muss ich eingangs gestehen, dass ich bei der letzten Etappe gemogelt habe, was die Streckenabwicklung anbetrifft. Dazu muss man die Geografie dieser Etappe etwas genauer anschauen. Und man muss wissen, dass die aktuelle B11 nicht den Verlauf nimmt, den die historische genommen hat. Ab Deggendorf ist die alte B11 die Staatsstraße 2135. Sie geht die Rusel hinauf, was früher im Winter berüchtigt war, vor allem für den Lkw-Verkehr. Ich erinnere mich an Verkehrsnachrichten in Bayern 3, als die Ruselbergstrecke wegen Schnee für Lkw gesperrt war. Deshalb wurde die Strecke 1979 verlegt und nimmt einen Umweg nach Regen über Patersdorf. Da ich nicht mehr der jüngste bin und zudem unter den Folgen des Fahrradunfalls vor drei Jahren noch leide, was Kräfte und Kondition anbetrifft, habe ich beschlossen, den umgekehrten Weg zu nehmen. Ursprünglich wäre ich den Berg hinauf und von dort mit der Bahn zurück gefahren. So bin ich nun mit der Bahn hinauf und mit dem Rad zurück. Die Fahrt von Deggendorf nach Bayerisch Eisenstein dauert mit der Waldbahn eine Stunde.

Der Bahnhof Bayerisch Eisenstein ist interessant. Er liegt mitten auf der Grenze und ist beidseitig betrieben. Das Gebäude beherbergt heute ein Museum zur Grenzgeschichte, damals beim Bau der Bahnstrecke und später zu Zeiten des Eisernen Vorhangs. Beim Besuch des Museums wird klar, dass der heute tschechische Teil damals, 1870er Jahre, Böhmen war und zu KuK-Österreich gehörte. Da Tschechien auch Schengen-Staat ist, kann man locker auch im Gebäude hin und her über die "Grenze" wandern.

Bis zur Grenze an der B11 sind es 900 Meter. Dort habe ich also wieder echte B11 unter den Rädern. Wegen der fehlenden Grenzstation ist die Grenze unspektakulär. Es fällt auf, dass an der wohl ehemaligen Grenzstation 200 Meter weiter auf tschechischer Seite ein moderner Outlet-Shopping-Kasten entstanden ist. Das Gelände muss ja irgendwie sinnvoll genutzt werden. Auf tschechischer Seite gibt es Geschäfte, die massenweise Fußballtrikots, bunte Gartenkugeln und Vogelfutterhäuser anbieten. Souveniers sucht man vergeblich. So mache ich mich nach einem Café-Besuch im tschechischen 'Markt Eisenstein' Železná Ruda, 3 Kilometer nördlich, auf den eigentlich Weg über die B11.

Kurz noch ein paar Informationen zur Topologie: Bayerisch Eisenstein liegt auf 724 Höhenmetern (hm), der Luitpoldplatz in Deggendorf auf knapp 320 hm. Dazwischen geht es bis Regen hinunter auf ca. 530 hm, mit einem Zwischenanstieg zwischen Zwiesel und Regen. Dann geht es über Bischofsmais auf die Rusel mit 855 hm. Und von dort hinab nach Deggendorf "mit Schuss" und teilweise 13% Gefälle. Auf den 52 Kilometern sind in Summe 1.000 hm Anstieg und 600 hm Abfahrt abgefallen.

Die Grenze ist nicht gerade schmuck - auch wegen der aktuellen Bautätigkeiten; aber es ist der Beginn, oder das Ende wenn man will, der Bundesstraße 11:
B11 in Bayerisch Eisenstein

Von dort geht es in angenehmer Abfahrt durch die Wälder bei mäßigem Verkehr ohne Radweg (übrigens fast die komplette Strecke nach Deggendorf) hinunter nach Zwiesel. Am Ortseingang bei Theresienthal zweigt eine Umgehung ab, bzw. richtiger muss man auf die alte Trasse abzweigen, um in den Ort zu kommen. Am Abzweig findet sich noch ein Stück alter Straße als Sackgasse. Bis zum Stadtplatz in Zwiesel sind es ab Grenze 15,0 Kilometer. Zwiesel liegt wie der nächste Etappenort Regen am Schwarzen Regen. Aber die Straße verläuft über die Berge. Es fallen 106 Höhenmeter an (bei 144 m Abstieg), bis man bei Kilometer 25,6 am Stadtplatz in Regen ankommt. In Zwiesel überquert man die Brücke des 'Kleinen Regen' und fährt noch ein Stück durch die Stadt mit einem folgenden Anstieg, bis man an die Einmündung der B11-Umgehung kommt. Dort bleibt man am besten auf der die B11 begleitenden Nebenstraße, die mutmaßlich auch die alte B11-Trasse ist. Es geht durch das enge 'Dreieck' weiter nach Schweinhütt, wo die Nebenstraße endet und man auf die B11 bis Regen fährt.

Auch Regen wird von der aktuellen B11 umfahren, weswegen man sich rechtzeitig an der Staustufe des Schwarzen Regen in die Ortsmitte orientieren muss. Trotz der Tatsache, dass Regen Kreisstadt ist, macht es einen ziemlich kleinstädtischen Eindruck. Man wird satt und findet auch ein Bett. Aber die Auswahl ist ziemlich begrenzt. Ich übernachte hier, weil ich ja die Bahnanfahrt hatte und in Bayerisch Eisenstein einige Zeit zugebracht habe. So habe ich am nächsten Tag Zeit, nach Deggendorf zu kommen und von dort mit der Bahn nach Hause.





Am letzten Tag steht also der Ruselanstieg auf dem Programm. Die alte Trassenführung geht vom Stadtplatz aus über die Deggendorfer Straße, der man einfach weiter folgt. Sie heißt nun Staatsstraße 2135 - bis Deggendorf. Nach 1,6 km überquert man den Schwarzen Regen und biegt nach Süden ein; kurz darauf unterquert man die B11, die von hier ihren "flacheren" Umweg über Patersdorf nimmt. Beeindruckend ist die Bahnbrücke, unter der man hindurch kommt. Dann geht es hinauf nach Bischofsmais. Tatsächlich gibt es hier zwei Trassen. De facto findet man sogar vier Generationen von Wegen bzw. Straßen in dieser Gegend bezüglich alter Handelsstraße. Aber der Reihe nach: Von Regen aus kurz hinter, also südlich, Reinhartsmais in Höhe Schlossau zweigt eine kleinere Straße über Fahrnbach nach Bischofsmais ab. Ich nehme diese, weil ich sie als ältere Handelsstraße über den schon früh bezeichneten Ort mutmaße. Die Ursprünge von Bischofsmais gehen auf eine Rodungsaktion der Gegend im Auftrag des Klosters Niederaltaich im 11. Jahrhundert zurück. Über Bischofsmais verläuft auch ein alter Säumerpfad nach Böhmen, den in ein paar Passagen die Straße über Fahrnbach nach Bischofsmais nutzt. Dieser sog. Böhmweg ist die erste Generation. Die ostwärtige Umgehung mit der Schleife um Hochdorf ist allerdings auch schon weit älter als die Bezifferung der Reichsstraße 11 in der Weimarer Zeit. Eine BayernAtlas-Karte von 1869 führt sie bereits als besser ausgebaute Straße als die über Fahrnbach. Sie stellt sich als weniger anstiegsfreudig heraus. Sie wurde 1817 im Zuge des Straßenbaus über die Rusel nach Regen und Zwiesel angelegt, wie Herr Englram, Leiter der Touristeninformation in Bischofsmais, dankenswerterweise bestätigt hat. Dies ist die dritte Generation, wenn man die Strecke über Fahrnbach als zweite betrachtet. Und der letzte, dann vierte Ausbau aus den 1970er Jahren ist die Entschärfung der engen Kurve in Hochbruck über die Spange etwas südlich in Höhe Ritzmais. Es zeigt sich so, dass die Streckenführung über solche Gebirge einem größeren Wandel unterliegt als im Flachland. Der besagte Böhmweg als Fußweg - sogar schon aus keltischer Zeit - hat eine fast vollständig andere Trasse genommen als heutzutage die Straßen verlaufen.
Ein Nachtrag sei noch gestattet: eine Karte von 1919 zeigt, dass die alte Straße von Bischofsmais aus über Ritzmais verlief, und nicht über Hochbruck. Dazu muss man im Ort rechtzeitig rechts abbiegen und nicht der 'Hauptstraße' folgen. Das hatte sich mir vor Ort nicht erschlossen sondern erst beim Studium der historischen Karten in der Nachdokumentation.


Bischofsmais mit Alter Post aus den Anfängen des Orts im 12. Jhd.; rechts: Ruselabsatz auf 855 Meter N.N.

Die alte B11-Trasse über die Rusel ist hinter Bischofsmais unverfehlbar gut zu verfolgen. Über Hochbruck geht es zunächst ein Stück bergab, bis der Anstieg auf die Rusel ansteht. Dieser ist vergleichsweise kommod und auch ohne E-Bike gut zu schaffen. Am "Ortsende" von Rusel kurz hinter dem Abzweig nach Hengersberg, noch auf dem Anstieg 1,2 Kilometer vor dem Ruselabsatz, gibt es einen tollen Aussichtspunkt nach Süden mit Fernsicht - wenn das Wetter mitspielt. Vom Ruselabsatz auf 855 Metern Höhe geht es dann "Schuss" nach Deggendorf. Eine tolle Abfahrt für das Fahrrad. Gelegentlich muss man in engeren Kurven aber durchaus einbremsen. Über die Grafingerstraße erreicht man dann den Luitpoldplatz in der Stadtmitte. Mit den gefahrenen 52,3 Kilometern von Bayerisch Eisenstein aus summiert sich die Gesamtstrecke seit Mittenwald auf 293 Kilometer.

Kurzbeschreibung der nordführenden Routenvariante von Deggendorf nach Bayerisch Eisenstein
für Leute, die die Rusel an den Hörnern packen wollen: Vom Luitpoldplatz aus geht es 1 Kilometer nach Norden durch die Grafingerstraße - am oberen Stadtplatz den Schwenk nach links nicht verpassen. An der großen Ampelkreuzung nach rechts in die Ruselstraße abbiegen. Von dort geht es zunächst gemächlicher, dann aber am Ortsende nach ca. 5 Kilometern "schlagartig" steil hinauf; und das Ganze weitere gut 5 Kilometer, bis zum Ruselabsatz.
Von dort geht es 4,9 Kilometer bergab bis zum Abzweig nach Bischofsmais. Dem o.a. Nachtrag folgend müsste man aber eigentlich etwa 200 Meter vorher den Abzweig über Ritzmais nehmen. Hier muss man entscheiden, ob man die ältere Strecke durch Bischofsmais oder die neuere "ex B11" fahren möchte - und ob man die alte enge Kurvenpassage in Hochbruck mitnehmen mag. Im Fall der Variante durch Bischofsmais muss man im Ort am Gasthof Alte Post nach rechts Richtung Fahrnbach und Regen abbiegen.
In jedem Fall kommt man dann in Regen heraus, wenn man den Abzweig in Frauenmühle nach links südlich der Eisenbahnbrücke nimmt und unter dieser sowie der neuen B11 hindurch über die Deggendorfer Straße fährt - sonst landet man auf der B11-Umgehung.
So kommt man zum Stadtplatz nach Regen und über die Brücke auf die Bahnhofstraße, die in die Zwieseler Straße übergeht. Kurz hinter der Regen-Stautstufe kommt man auf die B11-Umgehung, die nun nach Zwiesel führt.
In Schweinhütt beim "Singenden Musikantenwirt" links, also nördlich, auf den Radweg via 'Dreieck' wechseln. So kommt man, die B11-Umgehung in Zwiesel rechts liegen lassend, auf der Regener Straße nach Zwiesel hinein. Am Ende des Stadtplatzes folgt man links schwenkend der Hauptstraße nach Bayerisch Eisenstein.
Am Ortsende trifft man wieder auf die B11-Umgehung nach Bayerisch Eisenstein zum Endpunkt.

Und hier wieder die Anmerkungen zu den Fahrradwegen auf der Etappe - in südlicher Fahrtrichtung:
Vor Zwiesel ab kurz vor Ludwigsthal gibt es links einen Radweg bis Zwiesel. Wegen des wenigen Verkehrs und der gut ausgebauten und abschüssigen Straße habe ich aber die Straße genommen.
Wenn man aus Zwiesel den ersten Anstieg genommen hat und an die B11-Umgehung kommt, bleibt man am besten auf der Nebenstraße parallel zur neuen B11. Das scheint mir auch die alte Trasse zu sein. Man kommt durch das enge 'Dreieck', das von der neuen B11 umfahren wird. In Schweinhütt endet diese, sodass man wieder die B11-Straße nimmt.
Ab dem Abzweig vor Regen geht es durch die Stadt und von dort ohne Radweg über die Rusel bis Deggendorf.
Ab dem Ortseingang Deggendorf begleitet ein Radweg die dort stärker befahrene Straße bis ins Ortszentrum.

Hier geht es zur vollständigen Fotogalerie mit beschrifteten Bildern.

Fazit der Tour

Die Tour kann man gut in fünf Tagen fahren. Auch ohne E-Bike. Hinzu kommen je nach Bedarf An- und Abfahrt. Auch die Etappe von Bayerisch Eisenstein nach Deggendorf kann man mit Bahnanfahrt an einem Tag schaffen; es sind ja nur gut 50 Kilometer. Selbst in der Gegenrichtung ist sie an einem Tag zu schaffen. Der Ruselanstieg ist ja nichts anderes als ein Alpenpass. Die Strecke ist naturgemäß keine klassische Fahrradgenussfahrt - als solche ist sie auch nicht gedacht. Sie birgt halt den geschichtlichen Erforschungscharakter. Passagen durch die Alpen am Walchensee entlang und die Kesselbergstraße hinunter (abgesehen vom Verkehr, der dort herrscht) sind schon eher Genussabschnitte. Insgesamt hat die Tour aber einiges zu bieten und ist mit den durchfahrenen Städten sehr abwechslungsreich.

Und hochinteressant war das Nachforschen alter Streckenabschnitte mittels der Karten aus dem Geoportal Bayern, BayernAtlas, dort 'Thema wechseln' und 'Zeitreise' auswählen.

Mit der vorliegenden Beschreibung hat man alle Planungsdetails zur Verfügung. Aus den Tracks und den Beschreibungsergänzungen lassen sich leicht die nötigen Routen für einen Garmin (oder ähnliches Gerät) zusammenbauen. Ich habe aber selbst beim Nachforschen im Zuge dieser Dokumentation noch eine Menge Spaß gehabt. Ich kann nur empfehlen, die in den Texten angegeben Links vertiefend zu lesen, wenn man geschichtliches Interesse hat. Viele Details, z.B. zu Geretsried, kann ich auf dieser Webseite gar nicht beschreiben - dazu gibt es ja die Originalquellen.

Und an einigen Stellen möchte ich gerne noch mehr sehen. Da werde ich nochmals hinfahren.

GPS Track

Es gibt zwei verschiedene GPS-Tracks (als .gpx-Dateien):
1. Der Track wie gefahren mit den Abstechern und Umwegen; Länge 301 km; die Etappe im Bayerischen Wald von Bayerisch Eisenstein nach Deggendorf.
2. Der Track bearbeitet; Länge 293 km; er zeigt den Verlauf der ehemaligen B11 entlang meiner Fahrstrecke. Alte Varianten wie im Text beschrieben (z.B. Langenbach bei Moosburg) sind nicht berücksichtigt.
Wer genau in den Track hineinschaut, wird feststellen, dass die Aufzeichnung an einigen Stellen den üblichen Abweichungen unterliegt, wo der GPS-Empfang durch Gebäude in engeren Straßen (z.B. Sendlingestraße in München) oder durch Bäume (z.B. Äußere Münchener Straße vor Landshut) eingeschränkt ist.

Etappentabelle
Die Daten enthalten auch die Anfahrten zu den Übernachtungen und den Abstecher nach Železná Ruda sowie von/zu den Bahnhöfen. Deshalb sind die Kilometerangaben höher als in den GPS-Tracks.


Datum Tagesziel Tages km AVS km/h Höh-meter Fahrtzeit h Tourdauer h
02.09.20 Wallgau 9,2 20,6 ./. 00:27 00:37
03.09.20 Pullach 83,9 21,0 586 03:59 06:45
04.09.20 Landshut 94,8 19,6 225 04:50 08:55
05.09.20 Deggendorf 83,8 20,9 128 04:00 07:31
06.09.20 Regen 34,5 19,5 215 01:46 03:55
07.09.20 Deggendorf (Plattling) 38,6 17,7 485 02:11 03:30
gesamt 344,8 20,0 1639 17:13 31:13



Situation in Bischofsmais mit den vier Generationen (römische Ziffern):
I Der Track des Böhmweg in blau;
II die alte Strecke über Fahrnbach und Bischofsmais;
III die neue Trasse von 1817;
IV die Entschärfungsspange der Hochbruck-Kurve aus den 1970er Jahren.